jugendprojekt_20vor12

     

jedem anfang wohnt ein zauber inne…

Unter dem Titel ‚jugend projekt 20vor12’ fand vom 27.April bis zum 01.Mai 2012 eine Tagung in Stuttgart statt. Mit den fünf Tagen wollten wir die Idee eines gemeinsamen campusA der anthroposophisch orientierten Ausbildungsstätten in und um Stuttgart sowie dem hiesigen Rudolf-Steiner-Haus erlebbar machen und verschiedene Generationen für einen lebendige, persönlichen Austausch zusammenbringen.

Bericht von Johanna Taraba (21), Mitvorbereiterin und Studentin am Priesterseminar der Christengemeinschaft

 

Tagungsberichte - oft die Seiten einer Zeitung, welche ich gerne überspringe. Gibt es etwas zu sagen, dass vorerst Außenstehende interessiert? Ist etwas geschehen, dass sich zu erfahren lohnt? Wodurch der Leser bei der Lektüre in gewisser Weise Teilnehmer wird? Ein Einstieg vom Ende her ist da vielleicht nicht verkehrt. Was war wesentlich für dich in den Tagen? Das fragten wir zum Abschluss die Anwesenden. In einem Satz bitte.

Bei mir sind wirklich alte Wände aufgebrochen und ich kann ganz neue Schritte gehen. Mich hat besonders begeistert, dass es so eine offene und ehrliche Stimmung war. Es bleibt wohl als immer neu zu bewegende Frage, wie die jungen Leute, die gewisse Dinge aus der geistigen Welt einfach mitbringen und die älteren ‚Anthroposophen’, die sich das meiste mühsam angelesen haben, zusammen wirken können. Das eigentlich Wesentliche entsteht in den Räumen zwischen den Menschen. Liebe für den Willen der Anderen, das ist es wohl, worum es geht. Ich bin jetzt ganz begeistert, weil ich echt gemerkt habe, dass ich etwas tun kann in der Welt! Das war mein erster Kontakt mit lebendiger Anthroposophie. Bei mir bleibt der Wunsch nach immer mehr freiem Denken. Mein Ideal ist nun noch klarer: Ich will ein freies Studium, ohne die ständige Frage, ob das, was ich tue, erlaubt und anerkannt ist. Mich hat besonders bestärkt und ermutigt, so viele andere Menschen im gleichen Streben und Suchen zu erleben. Es war einfach ein Raum für lebendige Ich-heit. Ein Raum, ohne zu feste Form und tote Struktur. Hier war kein Zwang: ich konnte auch mal zu etwas nicht kommen und war dennoch ganz dabei. Ich hatte ein richtiges Heimatgefühl. Auch das Rudolf Steiner Haus und besonders die Cafeteria freuen sich, glaub ich. Das beste war doch, dass hier mal graue Häupter so richtig durchmischt von Farbe wurden. Jetzt kann es losgehen!

Die ganze Veranstaltung stand unter zwei entscheidenden Fragen: ‚Was bewegt mich? Was bewege ich?’ Auch wenn wir in den Podiumsgesprächen dem Titel nach über etwas sprachen, kamen so doch immer die Redner sehr persönlich in ihrem Menschsein hervor. Mitsamt ihren Visionen und einstigen Idealen, die Welt zu retten, Gesellschaft zu gestalten. Mit dem, was daraus geworden ist. Vorsichtig wurde auch mal vom Scheitern gesprochen. Vom Korsett, in dem man sich als idealistischer Jungunternehmer plötzlich wiederfindet. Sehr viel farbiger dann aber vom Überwinden, vom anschließenden Gelingen. Vom Durchbruch. Die Zeit am Morgen verging immer wie im Fluge. 150 Leute in der Cafeteria, teils auf Stühlen und Tischen an den hinteren Wänden, vor den bei der Auftaktaktion selbst gemalten Bildern. Viele auf den Treppenstufen, dicht beieinander, erstaunlich vertraut. Die Atmosphäre war munter, aber konzentriert und wurde von Tag zu Tag dichter, was auf ungeahnte Weise mit den Themen der Plena zusammenklang. Nach dem wunderbar persönlich biographischen Eröffnungsvortrag Gerald Häfners zur Weltpolitik sprachen wir an den folgenden Tagen über Geld und Wirtschaft. Soziale Praxis. Freiheit und Selbstverantwortung. Lernen und Beruf. Meditation. Kunst-Werk-Leben. Immer waren mehrere Menschen unterschiedlichen Alters und aus ganz verschiedenen Bereichen kommend, für die einleitenden Worte gefragt worden. Meist waren die anschließenden Gespräche mit allen so anregend und wenig erschöpft, dass man sie in den Pausen und auf den Wegen zu den verschiedenen Arbeitsgruppen in den Seminargebäuden der Ausbildungsstätten weiterführte. Und was wir für ein Glück mit dem Wetter hatten! Wenn ich morgens zum Rudolf Steiner Haus den Hügel hoch kam, wehten neben der grün - roten campusA Fahne immer auch murmelnde Gesprächsfetzen von bereits in der Sonne sitzenden Menschen im Wind. Dozenten und Studenten trennbar durchmischt.

Das ist mein Satz auf die Frage, was für mich wesentlich war: Dass die jüngeren und die älteren Leute der verschiedensten Erfahrungsräume richtig ins Gespräch gekommen sind.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, … der schnell verblasst und bald erlischt. Jeder kennt das: riesige Freude nach einem geglückten Einstieg, so stark, dass man den Moment verpasst, in dem man den Fortgang, die Zukunft ergreifen muss. Vor einem Jahr hatten wir hier im März ein dreitätiges Fest anlässlich Rudolf Steiners 150sten Geburtstag. Danach habe ich mir die Frage gestellt, wie dieser Anfang eines Kennenlernens weiter geht. Vielleicht war dies jetzt ein erfolgreiches Anknüpfen an jene Tage.

Ich habe das Gefühl, dass wir menschlich hier auf dem Hügel die Barrieren der unterschiedlichen Institutionen langsam überwinden und gerne auch mal über den schwäbisch sauber gekehrten Gehweg hin zu den geistigen Nachbarn schauen. Auf musikalischer Ebene sind jetzt z.B. schon erste Tatsachen entstanden: es gibt seit neustem ein campusA Orchester.

Ich wünsche mir, dass die immer mehr aufkommende Frage nach gemeinschaftlichen Unternehmungen, Kursen, einem anthroposophischen Grundstudienjahr, ja – eigentlich einer zeitgemäßen, Freien Hochschule nicht in aus reiner Höflichkeit geführten Unterhaltungen unmerklich verebbt.

Aus meiner Sicht liegt die Abwesenheit der jüngeren Generation in den anthroposophischen Zweigen nicht am mangelnden Interesse für die Anthroposophie. Das Gegenteil wurde deutlich – es gibt viele Jugendliche mit Fragen und einer unglaublichen Offenheit für die Geisteswissenschaft und deren Früchte. Aber wir haben eine gewisse Scheu vor scheinbaren Gefriertruhen, wo Menschen ihre Gedanken auf ewig einlagern wollen. Manchmal sind die Truhen die Räumlichkeiten und Strukturen, oft sind es die Personen innerhalb dieser. Ich habe bei der Tagung gemerkt, dass dies eine merkwürdige Sache ist, denn im persönlichen Gespräch von Mensch zu Mensch in der Gemeinschaft entstanden auf einmal ganz warme, fruchtbare Momente, von denen ich heute noch zehre.

Aus dem Tagungsbericht ist nun eher eine Bitte geworden: die Bitte nach gedanklicher, freudiger und tatkräftiger Unterstützung, nach belebten Ideen, nach förderlicher Äußerung von Bedenken, nach gegenseitigem Interesse und wachem Wahrnehmen untereinander, füreinander, sodass die campusA – Idee keine kühne Fehlgeburt wird.

 

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